Schweinfurter Stadtrat im Faschismus:

Da der Reichstag dem Ermächtigungsgesetzes Hitlers zustimmte konnten die Nazis den Staat der Weimarer Republik in eine terroristische Diktatur umstürzen. Sie hoben alle bürgerlichen Freiheitsrechte auf, ohne das Parlament zu befragen, konnten neue Gesetze und Regeln diktieren. Alle Parteien – außer der SPD und der KPD (schon verboten) hatten dem zugestimmt und damit die Diktatur Hitlers akzeptiert. Die Reichstagswahlen fanden im Ausnahmezustand statt. Brutale Gewalt und Willkür-Maßnahmen der Nazis herrschten nun. Trotzdem erhielten sie nicht die gewünschte absolute Mehrheit der Stimmen. In Schweinfurt nur ca. 30 %.

Im Reich wurden die Länder „neu geordnet“, die gewählten Ministerpräsidenten abgesetzt und sog. Reichstatthalter ohne Wahlen eingesetzt.

Auch die Gemeinde- und Stadträte wurden aufgelöst. In Schweinfurt wäre die nächste Wahl ein Jahr später fällig gewesen. Der Reichsstatthalter legte fest, dass neue Stadt- und Gemeinderäte ohne Wahlen gebildet werden.
Viele Stadträte wurden in Haft genommen, alle die der SPD angehörten aber auch der Bayerischen Volkspartei. Die Schweinfurter SPD-Stadträte wurden nach der Haft ins KZ Dachau verschleppt und dort festgehalten.

Der neue Stadtrat 1933:

Die NSDAP erhielt 9 Sitze (bisher 2), der rechtsradikale Kampfbund Schwarz-Weiß-Rot 2 (bisher 2), die SPD 8 Sitze (bisher 13) und die Bayerische Volkspartei 5 (bisher 6) zugeteilt. Da alle SPD-Räte ihr Amt nicht ausüben konnten, da sie in Dachau eingesperrt waren und auch BVP-Räte z.T. verhaftet waren, konnte ohne Probleme der NSDAP-Kreisleiter Pösl zum OB gewählt werden.

Die Regierung Hitler beschloss, dass die NSDAP die einzig zulässige Partei sei und ordnete die Auflösung aller existierenden anderen Parteien an. Daraufhin lösten sich alle Parteien selbst auf, mit Ausnahme der SPD, die verboten wurde.

Damit bestand der – nicht gewählte – Stadtrat im Juli 1933 nur noch aus Nationalsozialisten. Sie setzten sich aus zwei Gruppen zusammen: die meisten waren Nazi-Funktionäre aus verschiedenen Gliederungen, außerdem Vertreter der Großindustrie und des örtlichen Händler- und Kleinbürgertums. Zu beachten ist: Alle Stadträte waren Mitglied der NSDAP.

Damit kann man diesen Stadtrat nicht mehr als ein demokratisch gewähltes und legitimiertes Gremium bezeichnen. Er hatte nicht das durch Wahlen ausgesprochene Vertrauen der Schweinfurter Einwohner.

Die Funktion eines Stadtrats, nämlich eine Auseinandersetzung über die Politik in der Stadt und eine beeinflussbare Möglichkeit darauf, war zerstört. Alle Stadträte ausgesucht von einer Partei, keine alternativen Konzepte oder Vorschläge. Der Geschäftemacherei, Korruption und Willkür waren Tür und Tor geöffnet. Der OB war der Führer der Stadt, die Stadträte konnten nur noch Beschlüsse der Kreisleitung und der Nazi-Funktionäre bestätigen und umsetzen, aber nicht mehr ablehnen. Dies entsprach den Verhältnissen in den Betrieben, wo der Betriebsführer führte, die Gefolgschaft nur noch folgen musste. Kritik und Widerspruch war nicht erlaubt.

Einer der ersten Beschlüsse war, die Umbenennung von ca. 30 Straßen im Ort. Angefangen bei der Spital-Straße dann Adolf-Hitler-Straße bis zur Kant- dann Skagerrak-Straße.

Abweichende Meinungen und Widerstandshandlungen wurden in der Folge radikal unterbunden und mit brutalen Strafen geahndet.

In diesem Klima schenkte Willy Sachs im Jahr 1936 der Stadt das Fußballstadion. Er bekannte schon 1933, dass er der Nazipartei mit Freude beigetreten sei und sie unterstützte. Für seine offene Unterstützung dieser „Räuberbande“ und das Fußballstadion erhielt er als Belohnung dafür vom Nazi-Oberbürgermeister die Ehrenbürgerwürde überreicht.

Die Forderung der Initiative, Willy Sachs endlich die Ehrenbürgerwürde der Stadt zu entziehen, stoßen nach wie vor auf Schweigen. Wer unterstützt diese Forderungen?

Besichtigung minderjähriger Zwangsarbeiterinnen bei Fichtel & Sachs durch Führungspersonal

Besichtigung minderjähriger Zwangsarbeiterinnen bei Fichtel & Sachs durch Führungspersonal

Leserforum: Warum Willy Sachs Ehrenbürger bleiben sollte

Bearbeitet von Oliver Schikora 08. September 2020  —  Der Leserbrief stammt von einem Historiker!

Zur Berichterstattung über Willy Sachs im Rahmen der Serie "125 Jahre Sachs" am 31. August erreichte uns folgende Leserzuschrift.

Grund für die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Willy Sachs war nicht seine politische Einstellung, sondern einzigartiges Mäzenatentum: die Stiftung des Stadions. In dieser Rolle taugt Willy Sachs auch heute noch als Vorbild. Sachs handelte aus Verbundenheit mit der Stadt und dem FC 05.

Indem er sie nicht erwähnt, spricht Herr Schikora diesen Motiven offenkundig ihren Vorbildcharakter ab und erhebt politisches Verhalten in einer krisenhaften Zeit zum alleinigen Maßstab. Wenn man diese Auffassung teilt, sollten vor einem abschließenden Urteil alle Ehrenbürger und die Straßennamen diesbezüglich untersucht werden. In anderen Städten ist dies längst geschehen.

Zu Lebzeiten genoss Willy Sachs in Schweinfurt vor allem aufgrund seiner oftmals spontanen Großzügigkeit große Popularität. Doch die Rolle, die ihm als einzigem Sohn des Firmenpatriarchen qua Geburt übertragen war, überforderte seine Talente. Im persönlichen Umgang gelang es ihm kaum, mit den Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik auf Augenhöhe zu agieren. Zu impulsiv und sprunghaft erlebte ihn sein Umfeld. Wer Willy Sachs auf politische Äußerungen und seine Beziehungen zu den Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft reduziert, spricht ihm auf diesem Gebiet eine Bedeutung zu, die er zeitlebens nicht hatte.

Die persönlichen Kontakte zu Göring, Himmler und Heydrich mögen aus lokaler Perspektive bedeutsam erscheinen. In den maßgeblichen Biographien dieser drei Nazis spielt der Name Sachs keine Rolle, insofern relativiert sich wohl auch ihre tatsächliche Bedeutung. Der „SS-Obersturmbannführer“ war ein Ehrentitel mit dem keine „Karriere“ im eigentlichen Sinne verbunden war. Die SS hätte eine derart labile Persönlichkeit wie Willy Sachs auch kaum im aktiven Dienst gebrauchen können. An Verbrechen war er nicht beteiligt.

Zweifellos ist das Verhalten des Konsuls aus Sicht der Nachgeborenen in vielen Punkten kritikwürdig, doch nach allem, was über Willy Sachs bekannt ist, macht sein Verhalten in der NS-Zeit eine Aberkennung der Ehrenbürgerschaft nicht zwingend notwendig. Vor allem existiert der Grund für ihre Verleihung, das Stadion, bis heute.

Heute fällt es leicht, sich vom Nationalsozialismus zu distanzieren. Die Nazis, das waren und sind „die Anderen“. Wohin dies im öffentlichen Diskurs führt, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Umfrage der Wochenzeitung „Zeit“: Nur drei Prozent der Deutschen glauben, dass der Großteil ihrer Vorfahren den Nationalsozialismus befürwortet habe. Ein derart beschönigender Blick auf die eigene Vergangenheit müsste eigentlich die Alarmglocken läuten lassen. Der Lebenslauf von Willy Sachs nach 1933 steht für einen Irrweg der deutschen Geschichte. Ein Einzelfall ist er sicher nicht. Gleichwohl ist er ein Ehrenbürger, dessen Verdienste um Schweinfurt unbestritten sind. Im Sinne einer verantwortungsvollen Erinnerungskultur wäre es ein Stück Ehrlichkeit, seinen Namen nicht aus der Öffentlichkeit zu tilgen.

Dr. Thomas Horling

97453 Mainberg