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  • Gedanken zum Tod von Klaus Hofmann

    Von Hannes Helferich, Mitglied in der Initiative gegen das Vergessen

    Der Nationalsozialismus und die in aller Welt verübten Gräuel der Nazis beschäftigen mich seit Anfang 1980. Zwangsläufig gerät man dann als in Schweinfurt tätiger Journalist an Klaus Hofmann. 1986 war unsere erste Begegnung. Anlass war die Präsentation der zweiten Auflage des Buches „Nach dem Krieg war keiner Nazi gewesen...“.

    Klaus Hofmanns nie nachlassende Recherchearbeit, sein unermüdlicher Kampf gegen das Vertuschen, Verdrängen, Verharmlosen und Vergessen forderten die dem ersten Termin folgende kontinuierliche Berichterstattung geradezu heraus. Mehr und mehr bewunderte ich ihn dafür. Seiner freundlichen Unnachgiebigkeit wegen erinnern heute in Schweinfurt mehrere Gedenkorte an die Menschen, die von Nazis ermordet, die unter dem Hitler-Regime leiden mussten. Er hat bei den von ihm selbst konzipierten Stadt-Führungen Tausende erreicht, er hat dabei aufgeklärt, vor allem junge Menschen - sein Herzensanliegen. Mitte Dezember hat Klaus Hofmann einen Schlaganfall erlitten. Wir, seine sieben Mitstreiter in der Initiative, haben sehr gehofft, dass unser Sprecher, unser Motor, diesen persönlichen Kampf gewinnt, dass er zurückkehrt. Er hat ihn verloren. Mit gerade einmal 67 Jahren ist Klaus am 25. Dezember 2020 verstorben.

    Klaus Hofmann Porträtfoto

    Ende der 1990er verlegte die Initiative ihren Schwerpunkt auf das Thema Zwangsarbeit in Schweinfurt. Leonardo Calossi, ehemaliger Zwangsarbeiter bei Kugelfischer, hatte über seine Erlebnisse ein Buch geschrieben. Die Initiative erfuhr eher zufällig davon und freute sich, dass der Italiener mit einer deutschen Fassung einverstanden war. 2003 erschienen die „Anmerkungen zu einer Internierung in Deutschland – 1943 bis 1945“, Ergänzend sollten weitere Beiträge über die Gründe für die Bombardierung von Schweinfurt, die daraus resultierenden Auslagerungen der Wälzlagerproduktion und die Rolle der italienischen Militär-Internierten in das Buch kommen. Klaus hatte diese aufklärenden Artikel unbedingt gewollt. Ich bin froh, dass er mich damals, Ende der 1990er, als einen der Autoren ausgesucht und zur künftigen Mitarbeit überredet hat.

    Klaus Hofmanns Hauptanliegen war bis zuletzt die Aufklärung über das Schreckliche, was von 1933 bis 1945 und danach geschehen ist. Man müsse allen Demokraten Fakten und Argumente in die Hand geben, auch um die aufkeimenden rechten Entwicklungen zu bekämpfen. Das sagte er immer wieder. „Vor allem die junge Leute müssen wissen, was damals passiert ist, nur daraus können sie Schlüsse ziehen“. Ein Schlüsselsatz.

    Diesem Ziel widmete er in der Initiative gegen das Vergessen, aber auch in anderen Gruppen wie vor allem PAX´an seine ganze Kraft, jede freie Minute. Dieser Initiative für Menschenrechte ist ein Gedenkort zur Erinnerung an die Opfer der Euthanasie im Park der Psychiatrischen Klinik Werneck zu verdanken. Klaus war auch da treibende Kraft, er hat sich diesem Thema verschrieben, war vielleicht auch darin gefangen.

    Für die Anliegen der Initiative gegen das Vergessen waren die Aktiven viel unterwegs. Die weiteste Tour führte in die Ukraine. Weitere nach Italien - zu eben jenem Leonardo Calossi. Damals 99 Jahre alt, hatte er mitgeteilt, dass es ihm nicht mehr so gut geht. Klaus wollte ihn unbedingt besuchen. Ich begleitete ihn damals im Oktober 2013 und erlebte einen Menschen voller Leidenschaft. Nicht den Italiener - nein Klaus. Drei Tage waren wir in Florenz. An den Abenden hätten wir über den gereichten Rotwein, über Land und Leute reden können. Thema aber war der Nationalsozialismus, die damals schon erkennbare Rückkehr der Rechten und seine Idee, möglichst vielen der etwa 10000 Zwangsarbeiter in Schweinfurt einen Namen zu geben. Untergebracht bei einer deutschen Bekannten in den Bergen bei Florenz bot sich am einzigen freien Nachmittag eine Wanderung in der Umgebung an. Haben wir gemacht. Klaus suchte die Tour aus: Wir wanderten entlang eines von Einheimischen geschaffenen Pfades zur Erinnerung an die Partisanen.

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    Klaus mit Leonardo Calossi im Jahr 2013

    Klaus, mir längst ein sehr guter Freund geworden, beschäftigte das Thema, immerzu. Calossi, der 103 Jahre alt wurde, konnte 2011 bei der Übergabe des  Zwangsarbeiter-Gedenkorts in Oberndorf nicht dabei sein. Einen solchen Ort, den es ohne Klaus Hofmann wohl nicht gäbe, hielt er aber „für ganz wichtig, weil so die Erinnerung weiter wach gehalten wird“, sagte der alte Mann bei unserem Italienbesuch zwei Jahre später. Die Menschen müssten dafür eintreten, friedlich miteinander auszukommen, und das gerade jetzt, da wieder nationalsozialistische Gruppen aufkommen. Deshalb auch sei, so Calossi, „fortlaufende Erinnerung notwendig, vor allem wenn Jugend ihre eigene Generation über Unrecht aufklärt, dann ist das noch nachhaltiger“.

    Das hat Klaus gefallen, weil er genauso dachte. Klaus Hofmann hat auch seine damalige Idee umgesetzt und den in Schweinfurt zur Arbeit gezwungenen Menschen einen Namen gegeben. Er hat ihr Alter, die Herkunft, die Betriebe ihrer Zwangsarbeit in endloser Nachtarbeit recherchiert und dokumentiert. Wir wissen jetzt dank seiner akribischen Arbeit, dass es in Schweinfurt mehr als die vermutete Anzahl gab. In einer seiner letzten Mails teilte er mit, dass er mittlerweile „knapp unter 13000 Namen“ aufgelistet hat.

    Klaus Hofmann ist allen Akteuren der Initiative ein großes Vorbild. Demnächst steht die nächste Bewährungsprobe an. Im Stadtrat wird entschieden, ob Willy Sachs die Ehrenbürgerwürde verliert. Die Faktenlage ist eindeutig, wenn sich in der Diskussion auch zeigte, dass selbst 75 Jahre nach Kriegsende immer noch zu viele Menschen Tatsachen verdrehen, gerade biegen und vor allem: relativieren. Klaus hat dagegen Zeit seines Lebens angekämpft. Wie es ohne unseren Sprecher weitergeht, das müssen wir sehen. Aber wir werden in seinem Sinn weitermachen. Wir werden weiter aufklären, wir sind Klaus das schuldig.

    Todesanzeige Klaus Hofmann - diverse Gruppen

    Todesanzeige Klaus Hofmann - Initiative

     

    Wir haben einen aufrechten Menschen verloren!

    Von Norbert Lenhard, Mitglied der Initiative

    Am 25. Dezember verstarb Klaus Hofmann an den Folgen eines Schlaganfalls. Mit ihm verliert die an Aufklärung und Emanzipation orientierte politische Arbeit in Schweinfurt und Unterfranken einen wichtigen, herausragenden Menschen und Akteur.

    „Nimm den Hammer und bring ihn zum Chef. Sag ihm, dass ich fort bin. Sag ihm, ich bin weg. Wenn er fragt warum, sag ihm ich will leben. Das Leben, das ich will kann er mir nich` geben.“ Rio Reiser gab mit seinen Texten der Lehrlingsbewegung eine Stimme, die sich zeitgleich mit der Studentenrevolte der 1968er auf den Weg machte, die verstaubten überkommenen Verhältnisse in Betrieben, Berufsschulen und den Gewerkschaften in Bewegung zu bringen.

    Klaus Hofmann begann nach der Realschule eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei der Schweinfurter Malzfabrik und kam über die Metallbaufabrik Vogel nach deren Konkurs 1976 zu Kugelfischer. Bereits 1971 war er der IG Metall beigetreten. Nach dem Auszug aus dem elterlichen Haus in Oerlenbach fand Klaus Hofmann schnell Anschluss an die Lehrlingsbewegung in Schweinfurt. Die „revolutionären“ Lehrlinge trafen sich in Wohngemeinschaften, dem halböffentlichen „Thälmannkeller“, in der Buchhandlung „Neuer Weg“ am Zeughaus. Sie befanden sich im Spannungsfeld zwischen autoritären, disziplinierenden Normen von Elternhaus, Schule, Betrieb und auch seitens vieler Gewerkschafter und eigenen Vorstellungen von Haarlänge, Musik und freierer Sexualmoral. Entsprechend nah an den Lebenserfahrungen waren die Forderungen der Jugendlichen: Ein besseres Ausbildungssystem, keine ausbildungsfremden Tätigkeiten, die Abschaffung der körperlichen Züchtigung (Ohrfeigen waren durchaus üblich). Damals waren diese Forderungen hochpolitisch. Es bestanden auch Verbindungen zur Studentenbewegung manifestierten sich in Aktionen zum Vietnamkrieg der USA, zum Putsch gegen Salvator Allende in Chile, gegen Militärputsch und Diktatur in Griechenland oder gegen die Umtriebe der NPD.

    1972 stärkte das neue Betriebsverfassungsgesetz die Rolle der Jugendvertretungen und die Einflussmöglichkeiten der Betriebsräte in den Betrieben. Weil die Forderungen sehr konkret waren und durchgehend eine Überschneidung mit der IG Metall bestand, ging die Bewegung in Schweinfurt in die gewerkschaftlichen Strukturen auf, blieb aber nicht immer unbedingt auf „Gewerkschaftslinie“. Klaus Hofmann engagierte sich bereits bei Fenster-Vogel für den Betriebsrat und die IG Metall. Bei Kugelfischer fand er Mitstreiterinnen und Mitstreiter die, anfangs noch konspirativ im Hinterzimmer der Martinsklause, an der Demokratisierung und der Stärkung von gewerkschaftlichen Strukturen feilten. Klaus trug mit seinem fundierten Wissen wesentlich zur inhaltlichen und organisatorischen Ausprägung der IG-Metall Basisarbeit bei. Er nahm wesentlich Einfluss auf die Vertrauensleutearbeit, die Bereichsbetreuung der Angestellten und zeichnete viele Jahre verantwortlich für das Informationsblatt „Durchblick“ der Vertrauensleute. In vordigitaler Zeit war eine eigenständige Kommunikation mit der Belegschaft eine unverzichtbare Ergänzung zu Betriebsversammlungen.

    Klaus beim Streik 

    Klaus beim Streik bei Schaeffler 2018

    Klaus Hofmann hatte wesentlichen Anteil daran, dass die gewerkschaftliche Arbeit bei Kugelfischer zum Vorzeigemodell heranwuchs. Strukturierte Arbeit des Vertrauenskörpers, flächendeckende Bereichsbetreuung der Mitarbeiter, nachhaltige Mitgliederwerbung und hohes Engagement brachten Erfolge. Die Interessenvertretung sollte Gegenmacht sein. Ein gestaltendes Herangehen, das auch aus Fehlern der Vergangenheit lernt, braucht Betriebsräte, die strategisch denken und handeln können. Ein solcher Betriebsrat, der noch dazu seine Phantasie in Widerstandsaktionen einbrachte, war Klaus.

    Er war häufig der Stachel der Kritik. Aus seinem häuslichen Archiv und seinem kritischen Denken arbeitete er die Schwachpunkte heraus, hinterfragte die Aktivitäten und half bei der Verbesserung der Arbeit. Der Betriebsrat unterstützte einige organisatorische Veränderungen wie teilautonome Gruppenarbeit, weil sie im Interesse der Mitarbeiter wirkten. Andere Maßnahmen wie Outsourcing des Versandes bekämpfte die Interessenvertretung mit Erfolg.

    Als Betriebsrat, lange Zeit auch freigestellt, stand er mit unfassbarem Einfühlungsvermögen „bei den Menschen“, bis zur überhohen persönlichen Belastung. Das brachte ihm großen Zuspruch bei den Kolleginnen und Kollegen und der Interessenvertretung insgesamt mehr Anerkennung. Der Personalausschuss des Betriebsrates wurde stark durch ihn geprägt. Nach dem Wechsel in die Freistellung der Altersteilzeit engagierte sich Klaus Hofmann im Arbeitskreis außerbetrieblicher Gewerkschaftsarbeit bei den Senioren der IG Metall im Vorstand.

    Bereits Anfang der 1980er Jahre hatte Klaus Hofmann intensives Interesse an der Geschichte der Schweinfurter Arbeiterbewegung entwickelt. Aus „geheimen Quellen“ und unter vorgehaltener Hand tauchte eine vollständige Sammlung der Werkszeitschrift von Kugelfischer „Unser Werk und wir“ auf. Die Neugier an der damals tabuisierten Nazivergangenheit der Firma war geweckt. Mit der ihm eigenen Akribie stöberte er gemeinsam mit den Kollegen im Arbeitskreis Faschismus unter dem Dach des DGB in Archiven und dokumentierte unzählige Zeitzeugengespräche. Aus dieser Arbeit entstanden eine Reihe von Veröffentlichungen, wie zum Beispiel „Nach dem Krieg war keiner Nazi gewesen.“ „Es hat sich was geändert“- 90 Jahre Gewerkschaftskartell in Schweinfurt“.

    Stadtführung ca.1983. Links Marianne Soldmann. Foto Peter Steinmüller

    Im Jahr 2000 nahm sich die von ihm gegründete „Initiative gegen das Vergessen“ der Zwangsarbeit in den Schweinfurter Betrieben von 1939 bis 1945 an. Das Denkmal für Zofia Malczyk am Leopoldina Krankenhaus und den Gedenkort für Zwangsarbeiter in den Mainauen mit dem dazugehörigen Lagerweg halten die Erinnerungen an diese grausamen Ereignisse heute wach. Beide Mahnstätten entstanden durch das Engagement der Initiative, mitunter auch gegen deutlichen Widerstand von offizieller Seite. Leonardo Calossis Buch „Anmerkungen an eine Internierung in Deutschland“, das die Initiative herausbrachte schildert die Erlebnisse eines Zwangsarbeiters.   Klaus Hofmann initiierte Besuche von Insassen des Lagers und Gegenbesuche in der Ukraine, in Belgien und in Frankreich. Endlich erfuhren die Opfer eine späte Wiedergutmachung und Wertschätzung. Und aus den Begegnungen entstanden wiederum wertvolle Zeitzeugendokumente.

    Klaus beim Interview

    Klaus bei einem Interview mit Zeitzeugen 2003

    Klaus Hofmann führte zu den von Ihm bearbeitete Themen Begehungen und Stadtrundfahrten durch. Von 1983 bis 2020 nahmen etwa 3500 Menschen an 200 dieser Angebote teil.

    Die Arbeit von Klaus Hofmann stieß anfangs auf große Vorbehalte. Er galt manchen als Nestbeschmutzer oder Störenfried, rüttelte er mit seiner Forschung doch an den Tabus der Nachkriegszeit. „Entnazifizierungen“ sollten Normalität herstellen. Viele hielten die Integration von Nazis, Kriegsgewinnern, Tätern und Nutznießern der Diktatur für folgerichtig zum Zwecke des Aufbaus des Landes. Erinnert sei an das unsägliche Filbingerzitat: „Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein“. Erst sehr spät setzte eine öffentliche Anerkennung ein. Medaille des Bundesverdienstkreuzes, Stadtmedaille in Silber, Felix Freudenberger Preis nahm Klaus Hofmann mit einem verschmitzten Lächeln entgegen, weil er diese Auszeichnungen auch als politische Absicherung seiner Arbeit verstand.

    „Links wo das Herz ist“ lautet der Titel der Autobiographie von Leonard Frank. Mit dieser Zuordnung lässt sich die Lebensleistung von Klaus Hofmann zusammenfassen. Ihn trieb an die Vorstellung von einem anderen besseren Leben, jenseits von Fremdbestimmung und Kapitallogik. Der Mensch sollte sich nicht mehr selbst zum Feind sein. Er sah die Endlichkeit der Ressourcen der Erde und engagierte sich deshalb auch in der Antiatombewegung und für die Erhaltung der Natur.   Im Sinne von Antonio Gramsci war er ein organischer Intellektueller, indem er gleichermaßen Lehrer und Lernender war. Und er wurde nicht „verbohrt“ oder zum Stubenhocker. Durch zahllose Wanderungen, die er meist selbst organisierte, konnten sich Gedanken setzen und Pläne reifen. Als Teil seiner Gruppe der abhängig Beschäftigten bildete er sich fortwährend und war äußerst belesen. Er konnte aber auch andere zur Tat motivieren. Klaus Hofmann wird uns fehlen, er ist unverzichtbar.

    Klaus Hofmann hinterlässt seine Ehefrau und drei erwachsene Kinder.