P-Seminar Musik: Produktion von Audio-Guides

Im Jahr 2015-2016 setzten sich Schülerinnen und Schüler des Olympia-Morata-Gymnasiums mit den Lagerweg und seinen sieben Tafeln auseinander. Sie vermitteln mit ihren Audio-Guides ein Verständnis von Stadtgeschichte – in ihrer spezifischen Sprache und aus ihrem Blickwinkel.

Die Hörbeispiele sind über einen QR-Code an den Tafeln abrufbar.

Hier die Arbeiten.

Tafel 1: „Und es war Krieg“ (Julia Ziegler)

Tafel 2: „Die Ankunft“ (Andreas Hartmann)

Tafel 3: „Gefangen“ (Franziska Rebhan)

Tafel 4: „Talkshow mit ehemaligen Zwangsarbeitern“ (Lillian Hickel)

Tafel 5: „Hunger, Essen, Leiden, Schmerzen ...“ (Franziska Johrend)

Tafel 6: „History-TV mit Natalia Kulisch“ (Laura Fischer)

Tafel 7: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ (Julia Jäger)

Redebeitrag von Jean-François Soyez

(Enkel des ehemaligen belgischen Kriegsgefangenen Luicen Buissart)

Discours de M. Jean-François Soyez, petit-fils d’un ancien prisonnier de guerre belge
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Jean-François Soyez (rechts)
und Roland Gatoie, der übersetzte


Bonjour,
(1) Nous sommes venus de Belgique mon ami et moi afin de témoigner au nom de mon grand-père, Lucien Buissart, prisonnier de guerre de 1940 à 1945 à Schweinfurt.

Guten Tag,
Mein Freund und ich, wir sind aus Belgien gekommen, um von meinem Großvater Lucien Buissart zu berichten. Mein Großvater war während des 2. Weltkrieges von 1940 bis 1945 Kriegsgefangener in Schweinfurt.


(2) D’abord employé dans des fermes, il a fait partie avec des centaines de camarades belges et français, tous prisonniers de guerre, d’une main-d’œuvre presque gratuite pour les usines de production.

Er musste zunächst in der Landwirtschaft arbeiten und wurde später wie Hunderte andere belgische und französische Kriegsgefangene Teil eines praktisch kostenlosen Arbeiterheeres, das in der industriellen Produktion eingesetzt war.


(3) Entassés à plus d’une centaine dans une ancienne salle de restaurant du Stadtpark comme seul logement, sans loisirs et sans lendemains, il a connu la vie d’usine sous forme d’esclavage moderne.

Er wurde mit etwa hundert anderen Kriegsgefangenen in einer ehemaligen Gaststätte im Stadtpark zusammengepfercht, wo er ohne Freizeit und ohne Zukunftsaussichten hausen musste. In der Fabrik arbeitete er unter Bedingungen, die man nur als moderne Sklaverei bezeichnen kann.


(4) Il a connu le froid, la faim, la peur des bombardements, les courses effrénées pour se sauver lors des alertes, la perte des camarades. Il a connu l’exil, l’éloignement des siens et a donné cinq année de sa jeunesse pou rien.

Er musste Kälte, Hunger und den Verlust von Kameraden aushalten und bei Alarm verzweifelt um sein Leben rennen. Er musste im Exil leben, die Abwesenheit seiner Angehörigen ertragen – und so hat er 5 Jahre seiner Jugend verloren – für nichts!


(5) De retour au pays on leur a reproché d’avoir été cinq ans en vacances pendant que la guerre se déroulait. Mon grand-père et ses camarades sont donc rentrés en silence et ont essayé de reprendre une vie normale.

Bei seiner Rückkehr in die Heimat warf man ihm vor, fünf Jahre im Urlaub gewesen zu sein, während die anderen im Krieg gekämpft hätten. Deswegen sprachen mein Großvater und seine Kameraden bei ihrer Rückkehr nicht über ihre Erlebnisse, sondern versuchten, wieder ein normales Leben aufzunehmen.


(6) Pour toutes ces existences brisées ou blessées, les historiens ont essayé d’établir des classifications dans le malheur des déportées aux travailleurs obligatoires, des prisonniers de guerre aux prisonniers politiques.

Historiker haben versucht, all diese verletzten und gebrochenen Menschen in verschiedene Kategorien des Leids einzuteilen, je nachdem, ob es sich um KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene oder politische Gefangene handelte.


(7) Nous n’étions pas présents et nous ne devons donc pas essayer de quantifier leurs douleurs, mais juste essayer de les comprendre et de s’en souvenir. Même chez ceux qui sont revenus en bonne santé, le trauma engendré par ces cinq années vécues sous des évènements communs laisse des blessures profondes qui n’ont jamais guéries.

Wir haben dies alles nicht selbst erlebt und dürfen deswegen auch nicht versuchen, den Umfang ihres Leids zu ermessen; wir sollten aber versuchen, sie zu verstehen und dürfen sie nicht vergessen. Selbst diejenigen, die äußerlich gesund zurückgekehrt sind, waren und sind für immer von diesen gemeinsam durchlittenen fünf Jahre traumatisiert.


(8) Nous sommes conscients que les années de guerre passées ici à Schweinfurt pour toutes ces catégories de gens doivent être, y compris celle de la population civile locale, comprises dans une seule catégorie, celle de gens qui ont souffert tous ensemble.

Wir sind uns beide der Tatsache bewusst, dass all diese Menschen – egal woher sie kamen und welchen Status sie hatten und auch die einheimische Zivilbevölkerung – nur einer Kategorie zuzuordnen sind, nämlich der Kategorie der Menschen, die gemeinsam gelitten haben.


(8bis) > à ajouter par M. Soyez / wird von Herrn Soyez auf Französisch ergänzt.

(8a) Es liegt mir besonders am Herzen, der Initiative gegen das Vergessen für ihr Engagement zu danken und vor allem Herrn Klaus Hofmann für seine Unterstützung meiner 2jährigen Forschungsarbeiten.


(9) Un ancien prisonnier de guerre belge, M. Legrève de Wavre m’a demandé de dire ces quelques mots car il ne sait pas venir aujourd’hui.

Ein ehemaliger belgischer Kriegsgefangener, M. Legrève aus Wavre, hat mich gebeten Ihnen heute eine Botschaft von ihm zu überbringen, da er selbst hier nicht anwesend sein kann.


(10) « Nous les anciens, nous mettons en garde la jeune génération contre la montée de l’extrême droite, contre les guerres les plus cruelles que sont le terrorisme et les guerres de religion, une forme plus féroce encore que les conflits militaires.

„Wir Alten, die diese Zeit erlebt haben, warnen die nachfolgenden Generationen vor dem erneuten Erstarken des Rechtsradikalismus und vor der schlimmsten Art der Kriege, nämlich dem Terrorismus und den Kriegen, die aus religiösen Gründen geführt werden.“


(11) Je vous demande aussi de méditer sur le mot « liberté » car n’oubliez jamais : Il faut l’avoir perdue pour l’apprécier. »

Ich fordere Sie auch dazu auf, über den Begriff « Freiheit » nachzudenken, denn Sie dürfen nie vergessen: Erst wenn man sie verloren hat, erkennt man ihren wahren Wert.“

Übersetzung: Dorothee Seidlmayer

Grußworte von Jacky Cottais

(Schwiegersohn von Louis Beilvert, eines ehemaligen französischen Kriegsgefangenen)

Louis Beilvert wurde in Commercy gefangen genommen und musste den Weg nach Deutschland zu Fuß zurücklegen.

Er kam zunächst nach Hammelburg ins Lager, später wurde er nach Gochsheim gebracht.
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Jackie Cottais (rechts) bei seinem Grußwort.
Roland Gatoie aus Belgien übersetzte.

Er arbeitete bei Sachs. Den Weg zur Arbeit und zurück musste er zu Fuß zurücklegen. Die letzten Kriegsmonate arbeitete er im Lazarett von Ebelsbach, von wo aus er ab und zu mit einem Karren, der von einem Pferd und einer Kuh gezogen wurde, nach Gochsheim ging, um von dort Kranke abzuholen.

Vielen Dank allen, die dazu beigetragen haben, dass diese Gedenkstätte entstehen und realisiert werden konnte.

Vielen Dank an Klaus Hofmann für sein Engagement und an Jean-François Soyez, ohne den wir Klaus nie kennen gelernt hätten.

Louis Beilvert starb ohne eine Antwort auf die für ihn so wichtige Frage gefunden zu haben.
Seine große Frage war: Wie können Menschen anderen Menschen so etwas Schreckliches antun?

Klaus, vielen Dank!

(Übersetzung : Dorothee Seidlmayer)

Aus der Rede von Leonardo Calossi


Liebe Freunde,

die Beschwerden des Alters – 97 Jahre sind nicht wenig – haben mich gehindert, heute in Schweinfurt zu sein bei der feierlichen Einweihung des Gedenk-Orts, der an das Opfer der Zwangsarbeiter unter der Willkürherrschaft Adolf Hitlers erinnert. (…)
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Carlo Calossi verliest die Worte seines Vaters, die dieser zur Übergabe des Gedenkortes geschrieben hat.

Ich war schon einmal in Schweinfurt, im März 2003, als willkommener Gast der ‚Initiative gegen das Vergessen‘ welche die Veröffentlichung meines Buches »Anmerkungen zu einer Internierung in Deutschland 1943 – 1945« in deutscher Sprache betreut hat. (…)

Das sichtbare und dauerhafte Symbol, das heute vor euren Augen ist, erhebt sich als Mahnung für die kommenden Generationen, damit sich derartige verabscheuungswürdige Taten gegen die Menschlichkeit niemals wiederholen.

Während der ganzen Zeit meiner Inter­nierung auf dem Territorium des Dritten Reiches habe ich Zwangsarbeit in der Firma Kugelfischer geleistet. (…)

Unser Tag begann um 4 Uhr 30 und endete gegen 19 Uhr. Mittags gab man uns einen Schöpflöffel Suppe; eine weitere Ration Suppe gab es abends, zusammen mit einem Stück Schwarzbrot, völlig unzureichende Nahrung also.

Viele meiner Landsleute hielten diese Schwierigkeiten nicht durch und ihr Schicksal war das Lager Großrosen: der sichere Tod. (…)

Im Februar 1945, wurde die Fabrikanlage wegen des russischen Vormarsches abgebaut und Betriebsführung und Belegschaft wurden in das Stammwerk nach Schweinfurt gebracht.

Ich nahm die Arbeit an der Drehbank wieder auf, im Bunker, der unter dem Fabrikgebäude angelegt worden war. Die Luftangriffe ließen keine Atempause.

Ein heftiger Luftangriff legte das Fabrik­gebäude in Schutt und Asche, aber die solide Bauweise des Bunkers rettete uns. Am 10. April 1945 kamen die Amerikaner; in dem Moment endete meine Odyssee in Deutschland.

An jenem strahlenden Frühlingstag, fühlte ich meine Seele voller Gefühle von Freiheit, Heiterkeit und innerem Frieden und ich vergaß – wie durch Zauber – die Schrecken der Vergangenheit: ich war wieder ein
denkendes Wesen, nicht mehr nur die Nummer 92753 des Stammlagers VIII/a von Görlitz.

Als ich so dem Leben zurückgegeben war, war die Rückkehr nach Hause nicht mehr eine unsichere Hoffnung, sondern die Gewissheit, die Meinen wiederzusehen und auch die lieblichen Hügel meiner Toskana. In mir erwuchs wieder das Vertrauen, ich begann wieder meinen Nächsten zu lieben gemäß den Geboten des Evangeliums: auch den Nächsten, der verzweifelt und verwirrt in den Trümmern der Stadt umherirrte.

Ich traf einen alten Mann, der mit zitternder Stimme den alten bayrischen Gruß zu mir sagte „Grüß Gott“; er hatte schon das aufgezwungene „Heil Hitler“ vergessen. (…)

Nehmt mein „Grüß Gott“ entgegen, das aus dem Herzen und der Seele eines Mannes kommt, der das Alter der Weisheit erreicht hat. Ja, es ist wirklich eine Freude, die Sonne nach einem wilden Sturm wieder zu sehen: es ist ein großartiges Schauspiel.

Leonardo Calossi
25. September 2011

Aus der Rede des ukrainischen Generalkonsuls Yuriy Yarmilko


Ich bedanke mich ganz herzlich für die Einladung zu dieser feierlichen Übergabe des Gedenk-Ortes an die Öffentlichkeit hier auf den Oberndorfer Wiesen. (…)

Mit der Zeit geraten einige in menschliche Vergessenheit, doch manche dürfen nicht vergessen werden. Es ist schon das sechste Jahrzehnt, als wir in Europa im Frieden leben, aber die Wunden von den traurigen Jahren des II. Weltkrieges sind immer noch spürbar. (…)

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Generalkonsul N.N. auf der Rednertribüne am 25. September 2011 am Ort des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers »Obere Weiden«.

Die Welle des Terrors ist auch durch die Ukraine gegangen. Und der Anteil der Ukraine bei der Bekämpfung des Nazi-Regimes ist beeindruckend.

Dazu sind nur einige Daten: Die Militärereignisse des II. Weltkrieges dauerten auf dem Territorium der Ukraine 40 Monate – vom 22. Juni 1941 bis zum 28. Oktober 1944. Fast neun Millionen Ukrainer sind in dieser Zeit ums Leben gekommen. (…)

Das sind traurige Seiten für alle Betroffenen. Es ist aber erfreulich, dass sich die Leute zusammen gefunden haben, dank denen die Initiative gegen das Vergessen ins Leben gerufen wurde. Sie haben die Zeitzeugen ausfindig gemacht und sie auch fürs heutige Treffen eingeladen.

Als Generalkonsul der Ukraine freue ich mich sehr, dass heute unter den Eigeladenen auch meine Landsleute sind. Denn die Reihen der Zeitzeugen des II. Weltkrieges werden leider immer dünner. (…)

Heute am Tag der Eröffnung der Gedenkstätte in Schweinfurt möchte ich persönlich allen an dieser Gedenkveranstaltung Mitwirkenden meinen herzlichen Dank aussprechen. Solche Gedenkfeiern tragen zum vertieften Erlernen der Geschehnisse der Katastrophe des II. Weltkrieges bei.

Und mit heutiger Übergabe des Gedenk-Ortes der Öffentlichkeit bekommt auch die jüngere Generation die Möglichkeit an dem Geschehenen nachzudenken und Opfer des Krieges das Zeichen des nicht Vergessens geben.(…)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!